Ulrich Brauchle lässt sich über die Schulter schauen

 
von Petra Rapp-Neumann
veröffentlicht am 29.07.2018 auf schwäbische.de

Seit fast 20 Jahren hat der Ellwanger Künstler und Kunsterzieher Ulrich Brauchle sein Atelier im Schloss. Vor vier Jahren ist er vom Torturm ins Vorschloss gezogen. Die neuen Räume öffnete er am Wochenende zum ersten Mal für Besucher. Sie nutzten die Gelegenheit, Atelierluft zu schnuppern und in die besondere Atmosphäre einzutauchen. Den Blick über ferne Höhenzüge der Schwäbischen Alb, auf die Stadt und einen vorbei fliegenden Storch gab’s dazu.

Der spezifische Geruch nach Farbe ist schon im Treppenhaus unverkennbar. Ulrich Brauchle arbeitet ausschließlich mit Ölfarbe: „Ich liebe sie. Die Farbe bleibttagelang, manchmal sogar über Wochen feucht. Bis sie trocken ist, dauert es mindestens ein Vierteljahr.“ Wer seine Finger in Farbe taucht, die das ehemalige Fenster eines Bauernhauses in dicken Schichten bedeckt, merkt das schnell. Brauchles Arbeit ist stets im Fluss: „Schon als Kind habe ich viel gezeichnet. Seitdem male ich jeden Tag, mit nur kurzen Unterbrechungen“, antwortet er auf die Frage einer Besucherin, wann die beeindruckende Fülle der Bilder entstanden sei.

Zwei Scheinwerfer, die einem Fotostudio alle Ehre machen würden, tauchen die mit Arbeitsspuren übersäte Staffelei in helles Licht. Die Reise ins Ungewisse eines neuen Bildes beginnt mit der weißen Leinwand: „Es ist jedes Mal spannend, was daraus wird“, so Brauchle. Der erste Farbauftrag in kühnem Schwung mag beliebig wirken, ist aber ein komplexer Vorgang. Nach gewisser Zeit entwickelt das Werk ein Eigenleben. Es beginnt der intime Dialog zwischen Farbe und Pinsel. Dritte im Bunde ist die Musik, seien es Glenn Goulds Goldberg-Variationen, Jazz oder Bob Dylan. Ihm hat Ulrich Brauchle einen Zyklus mit 16 Originalradierungen gewidmet, die zum viel beachteten Künstlerbuch in limitierter Auflage wurden.

Intuitiv, fast spielerisch entstehen großformatige, farbintensive, abstrakte Bildkompositionen. Brauchle reduziert Sichtbares bewusst, um die Fantasie des Betrachters anzuregen. Dazu passt der weitgehende Verzicht auf Titel. Charakteristisch für seine Malerei ist eine gebändigte Unruhe und gleichsam schwebende Dynamik: „Bewegung und Energie müssen ins Bild fließen.“ Pastose Farbfluten öffnen weite Räume, Linien gestalten Fläche. Im kleinen Format gliedert sich Landschaft in farbige Felder, den Blick zur Alb, auf Feldsträucher, Apfelblüte und den Weg vor Neuler.

Immer wieder fotografiert Ulrich Brauchle den momentanen Zustand eines entstehenden Bildes, das mit dem nächsten Pinselstrich schon wieder ein anderes ist, stellt es auf den Kopf, betrachtet es im Spiegel, lässt es über Tage, Wochen und Monate wachsen. Am Ende eines Jahres holt er alle Bilder ans Licht und entscheidet, „bei welchem es sich lohnt, dass es weiterlebt.“ Zur Freude und Beruhigung zahlreicher Liebhaber seiner Kunst sind es immer wieder etliche, die der strengen Auslese standhalten.



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